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01. August 2017 ,
Geschrieben von Andreas Rico Schweter

Innovative Verkehrskonzepte auch für Worpswede

Heute vor 50 Jahren, also am 1. August 1967, wurde die Oldenburger Fußgängerzone geboren: die erste flächendeckend innerstädtisch umgesetzte Fußgängerzone In Deutschland.

Oldenburg

                        Oldenburger Innenstadt mit Rathaus

Doch die Einführung dieser autofreien Zone war damals begleitet von viel Kritik und Widerstand: für die Einwohner sei es unzumutbar, die Geschäfte würden darunter leiden, die Besucher wegbleiben ...

Notwendig wurde die Realisierung des innovativen innerstädtischen Verkehrskonzepts, das während der Planung noch den Arbeitstitel "Basar-Bereich" trug und später in "Fußgängerzone" umbenannt wurde, durch die stark angestiegene Einwohnerzahl in den Nachkriegsjahren und die mit dem sog. Wirtschaftswunder verbundene Zunahme des individuellen Kraftverkehrs: Oldenburgs Innenstadt konnte den Individualverkehr nicht mehr angemessen regeln und suchte nach Lösungen.

Schließlich wurden vor genau 50 Jahren 13 Hektar der oldenburger Innenstadt für den Kraftverkehr gesperrt. - Was damals mit einem Experiment begann hat sich heute nachhaltig etabliert: die Oldenburger sind stolz auf ihre Fußgängerzone! Jährlich besuchen viele Touristen die schöne autofreie Innenstadt. Wer wagt, gewinnt!

„Ohne Autos ist die Innenstadt vielseitiger nutzbar und intensiver erlebbar geworden. Dadurch wurde sie zu dem Markenzeichen, das wir heute so sehr schätzen – und von dem wir vielfach profitieren. Oldenburgs historisches Zentrum mit seiner Fußgängerzone gilt es auch weiterhin attraktiv zu gestalten. Die Herausforderungen der Zukunft haben wir bereits im Blick mit unserem Arbeitskreis zur Innenstadtstrategie.“ (Oberbürgermeister Jürgen Krogmann)

Sicherlich läßt sich die Stadt Oldenburg nicht mit Worpswede vergleichen, doch gemeinsam ist die Kritik und der Widerstand gegenüber dem Versuch der Veränderung eines bestehenden unsäglichen Verkehrskonzepts: Als wir vor den Sommerferien am 21. Juni  in der geschlossenen Worpsweder Facebookgruppe von der Entscheidung unseres Gemeinderats berichteten, sich für das niedersächsische Modellprojekt "Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen" zu bewerben und provokant titelten "Worpswede will Tempo 30!", da schlugen die Wellen hoch - und wieder einmal zeigte sich, dass ein soziales Medium wie Facebook wunderbar dazu geeignet ist, Infos und Meinungen in die Masse zu bringen - doch wenig  dazu dient, konstruktiv inhaltlich zu diskutieren. Schließlich wurde am 24. Juni in Facebook eine Abstimmung initiiert, die von vornherein wenig repräsentativ angelegt war und die letztendlich daran scheiterte, dass neben Worpswedern auch viele Menschen aus anderen Orten und Städten an dieser Abstimmung teilnahmen. Als könnte per se eine Facebook-Umfrage repräsentativ sein!?

Was in Oldenburg möglich war, sollte auch in Worpswede gangbar werden: Meinungsbildung als Realsierungs-Prozeß. Aufgabe unseres Gemeinderats ist es, Entscheidungen für das Gemeinwohl zu treffen. Dabei sind Kollisionen mit Interessen des Individual-Verkehr unvermeidbar, denn "freie Fahrt" geht immer zu Lasten des schwächsten Verkehrspartners und der Anwohner.

24. Juni 2017 ,
Geschrieben von Andreas Rico Schweter

Buxtehude machte den Anfang

Als am 14. November 1983 Buxtehude im Rahmen eines Modellversuchs zur allerersten Tempo-30-Zone in Deutschland erklärt wurde, wurde sie die Stadt der Langsamkeit. Damals war das Geschrei groß: Autofahrer waren wütend, Hass und Verzweiflung brachen aus.

So ähnlich geht es zur Zeit in der Worpsweder Facebookgruppe zu, dort haben wir bereits Buxtehuder Zustände wie vor dem Tag X.: Worpswede ist noch nicht einmal zum Modellprojekt Tempo 30 aufgenommen und die Autofahrer sehen bereits ihre bislang gewährte „Freiheit der schnellen Fortbewegung“ in Gefahr. Das diese Freiheit recht einseitig ausgelebt wird und zu Lasten der Anwohner, Fußgänger kurz: der schwächeren Verkehrsteilnehmer geht, will der gewohnheitsmäßige Kraftfahrer nicht akzeptieren.

1980 starben noch 13.41 Menschen im Straßenverkehr – 2012 waren es nur noch 3.606 Menschen: Diese Entwicklung hängt auch mit Einführung der Tempo-30-Zonen zusammen.

Im Grundgesetz steht nicht „Jeder Autofahrer ist gleich“; in der Bibel nicht „Liebe Deinen nächsten Autofahrer“ und das Gebet der Christen lautet nicht „Autogott im Himmel…“.

Das ganze Gezeter erinnert stark an die Einführung des Rauchverbots vor 10 Jahren. Was haben damals die Raucher geschimpft! Ein Kulturgut sei in Gefahr! Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Verbots! Kneipensterben! Unsere Gesellschaft in der Krise!...

Und: Hat das Verbot uns geschadet? NEIN!

smoking 547508 640 Tempo 30

 

Ich erinnere mich an die unseligen Diskussionen und Streitereien z.B. in den Autobahnraststätten: Meine Frau stillt unseren Sohn und am Nachbartisch zünden sich rücksichtlose Menschen Zigaretten an. Wie sieht es heute aus: Die Raststätten sind rauchfrei! Wenn man Abends ausgeht und Essen geht, dann riecht die Kleidung nicht mehr wie früher durchdringend nach Rauch! Wer stellt heute das Rauchverbot in Frage?

So wie die rücksichtslos rauchenden Mitbürger am Nachbartisch (die sich z.B. eine Zigarette ansteckten, wenn gerade unser Essen serviert wurde) sind heute die „gnadenlosen Raser“. Man muss sie gnadenlos nennen, wenn sie mit überhöhter Geschwindigkeit in den 30er-Zonen unterwegs sind oder auf unseren Hauptstraßen langheizen und stetig verdrängen, dass sie einen Kraftwagen lenken, der den schwächeren Verkehrs-Partnern gnadenlos überlegen ist. Für die Raucher hat sich damals schließlich eine Lösung gefunden: die Raucherkneipe. Sollen doch die Heizer und Raser in die geschlossene Arena: Mit dem Auto an einem Fahrsicherheitstraining teilnehmen oder auf einer offiziellen Rennstrecke fahren!

Was hat sich in Buxtehude seit 1983 straßenverkehrs- und lebendsqualitätsmäßig alles getan. Lesen Sie hier.

21. Juni 2017 ,
Geschrieben von Andreas Rico Schweter

Gemeinderat beschließt Teilnahme am Modellprojekt

Auf seiner gestrigen Sitzung beschloss unser Gemeinderat die Teilnahme am „Modellprojekt Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen" der niedersächsischen Landesregierung! Bei zwei Enthaltungen wurde Bürgermeister Schwenkes Empfehlung zur Zustimmung angenommen.

Herr Schwenke machte vorab in einer Erklärung deutlich, dass er es „...für richtig und auch für vernünftig...“ halte, dass gerade unsere „kleine Gemeinde Worpswede“ an diesem Projekt teilnehme. Gerade die Verkehrssituation unserer Außenstraßen des sog. „Goldenen Dreiecks“, d.h. Hemberg- und Findorffstraße, prädestiniere uns für die Teilnahme an diesem niedersächsischen Modellprojekt. Neben der Verbesserung der Lebensqualität betonte Schwenke auch die „wichtige Angelegenheit ... als touristische Destination“. Die gewonnenen Daten würden uns fundierte Erkenntnisse zu Lärm, Luft, Sicherheit und Verkehrsfluss bei Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen liefern, die im Nachgang eine sachliche Diskussion ermöglichten. Der Bürgermeister stellte schließlich klar, dass es bei diesem Projekt nicht um die „Vorbereitung einer flächendeckenden Anordnung von Tempo 30"  bzw. um die "Absenkung der innerörtlichen Richtgeschwindigkeit" gehe, das stünde nicht im Fokus.

Die UWG drückte in einer Stellungnahme ihre Hoffnung um eine langfristige Lösung aus. Die CDU-Fraktion unterstrich die Wichtigkeit der entstehenden Erkenntnisse für eine langfristige und nachhaltige Diskussion eines gesundheitlich-ganzheitlichen Verkehrskonzepts in Worpswede.

Das Thema Tempo 30 wird hier im Ort - wie überall in Europa - heftig diskutiert, zumal der Fokus häufig auf den Kraftfahrer gerichtet ist, wird doch sein „verbrieftes Recht“ auf schnelle Fortbewegung in Ortschaften und Städten in Frage gestellt. Mit seinem Beschluss ermöglicht unser Gemeinderat einen Paradigmenwechsel und stellt das in‘s Zentrum der Betrachtung, was sonst in der motorisierten Karre sich hastig treiben läßt: den Menschen! Es geht um unsere Lebensqualität! Das Recht des Gemeinwohls steht über dem Individual-Verkehr!

Wir danken dem Bürgermeister und dem Gemeinderat für den mutigen Entschluss, sich für das zukunftsweisende Modellprojekt zu bewerben!

Tempo 30 auf innerörtlichen Hauptverkehrstrassen ist die Zukunft, die uns allen mehr Lebensqualität geben wird - Worpswede bekommt nun hoffentlich die Möglichkeit, an ihr gestaltend mitzuwirken!

Da das Interesse zur Teilnahme an diesem Modellprojekt bei Gemeinden und Städten groß ist, müssen wir uns nun kraftvoll engagieren, den Zuschlag zu erhalten.

Lesen Sie dazu auch den Artikel des Weser Kuriers vom 3.6.2017 "Tempo am Limit" und die Presseerklärung des ADFC vom 21.2.2017.

 

22. Juni 2017 ,
Geschrieben von Andreas Rico Schweter

Lrm15

Reduzierung des Straßenverkehrslärms um um 9,2 dB(A)

Jede Tempo 30-Zone oder -Straße hat dazu beigetragen, Lärm zu verringern und die Situation vor Ort zu verbessern. Die erfolgreichsten Tempo-30-Maßnahmen ergeben Reduktionen der Dauerschallpegel von bis zu 8 dB(A); eine Langzeituntersuchung hat minus 9,2 dB(A) dokumentiert.
Manchmal fallen die gemessenen Reduktionen der Dezibelzahlen geringer aus als vorher prognostiziert, manchmal aber auch viel höher. Das hängt davon ab, wie konsequent Tempo 30 eingehalten wird, oder von der Stetigkeit des Verkehrsflusses, der Zahl der Beschleunigungs-und Abbremsmanöver und individuellen Faktoren auf der Strecke. So hat in einem Fall eine Steigung den Reduktionserfolg verringert, doch nur wenige Meter weiter verbesserte er sich wieder.
Aber nirgends ist Tempo 30 ohne klare Entlastungseffekte geblieben. Da Tempo 30 gleichzeitig die preiswerteste Maßnahme für den Lärmschutz ist, bedeutet allein dieses Ergebnis einen Erfolg.

Spitzenlärmwerte sinken deutlich

Tempo 30 wirkt gezielter auf die Lärmproblematik, als vielen bisher bewusst ist.
Die besonders störenden Lärmspitzen nehmen ab, wobei Reduktionen der Vorbeifahrtpegel von bis zu 26 dB(A) festgestellt wurden. Spitzenlärmwerte treten insgesamt seltener auf, und wenn dann mit einer geringeren Bandbreite.
In Jena wurde die Lärmpegelklasse 65-70dB(A) bei Tempo 30 nur halb so oft festgestellt wie bei Tempo 50, die besonders schädlichen Lärmpegelklasse 70-75 dB(A) dreimal seltener. Überproportional große Erfolge in der Bekämpfung der Lärmspitzen durch Tempo 30 haben sich in der für die Gesundheit besonders kritischen Nachtrandzeit von 5 bis 6 Uhr gezeigt.

Auch bei geringem Effekt wirksam

Auch geringe Dezibel-Senkungen, etwa von 1 dB(A) o.ä., bringen Entlastungswirkungen für die Anwohnenden. Befragungen bei kommunalen Modellprojekten und wissenschaftliche Erkenntnisse stimmen hierin überein. In den letzten Jahren wurde nachgewiesen, dass das menschliche Gehör selbst geringe Dezibelsenkungen von 0,75 dB(A) oder weniger wahrnehmen kann und als Entlastung empfindet. Es gibt keinen Grund mehr, beim Nichterreichen von 3 Dezibel minus – Behörden gehen erst dann von lohnenden Wirkungen aus - die Wirksamkeit von Tempo 30 in Frage zu stellen.
Als Faustregel kann gelten, dass der Lärm nach der Einführung von Tempo 30 pro 1km/h weniger Durchschnittsgeschwindigkeit um 0,2 dB(A) sinkt.

Schnell wirksame Basis

40 Prozent der Menschen in Europa sind von Lärmbelastungen über 55 dB(A)betroffen. Straßenverkehrslärm ist zu einem ernsten Problem geworden, und vor diesem Hintergrund muss die Dringlichkeit von schnell wirkenden Lärmschutzmaßnahmen neu bewertet werden. Kurz gesagt: Wir haben in Europa heute ein 10-Dezibel-Problem in Bezug auf den Straßenverkehr. Mit einer einzelnen Maßnahme ist dies nicht mehr in den Griff zu
bekommen, nur als Summe verschiedener Maßnahmen. Tempo 30 ist dafür eine kraftvolle, schnell wirkende Basis.

Quelle: EUGNET

Erfahren Sie mehr über Tempo 30 und Lärmreduzierung.

11. Juni 2017 ,
Geschrieben von Andreas Rico Schweter

Im Juni 2013 starteten wir unsere Aktion "Freiwillig Tempo 30 in Worpswede": Mit unserem Autoaufkleber "30 Worpswede" am Heck unseres PKw's signalisieren wir, dass wir in Worpswede freiwillig auf die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h verzichten und stattdessen die zulässige Geschwindigkeit von 30 km/h wählen. Während der ersten beiden Jahre praktizierten wir dieses selbstauferlegte Gebot in der gesamten Ortschaft; seit 2015 nur noch im Dorfzentrum Findorff- / Hembergstraße.

Aufkleber am Auto3

Immer wieder werden wir gefragt, ob denn unsere Aktion "Freiwillig Tempo 30" überhaupt rechtlich erlaubt sei. Hier der Versuch einer Klärung als jurisitischer Laie:

Grundsätzlich ist festzustellen, dass 50 km/h die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit darstellt - eine minimal zulässige Mindestgeschwindigkeit auf Dorfstraßen gibt es unseres Wissens nach nicht!  Wem 30 km/h nicht genug ist, der kann bei Bedarf überholen. Solange das möglich ist, wird kein Kraftfahrer in seinem Bestreben Voroanzukommen behindert.

Jetzt wollen wir es genau wissen:

"Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt... Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist." [§240 StGB]

Wer also freiwillig die Höchstgeschwindigkeit nicht fahren möchte, nötigt niemanden, zumal unsere Ziele alles andere als verwerflich sind.

Um unsere Fragestellung weiter zu differenzieren, ziehen wir die Straßenverkehrsordnung hinzu:

„Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern.“ [§3 StVO]

Den Verkehrsfluss wird man wohl erst dann behindern, wenn ein Stau verursacht wird: Das ist bei Tempo 30 km/h gar nicht so einfach!

 Was sagt ein Fachanwalt für Verkehrsrecht zu dieser Frage:

„Jeder kann sich einen Aufkleber an das Auto machen und 30 fahren, solange keine Mindestgeschwindigkeit vorgeschrieben ist und er den Verkehr nicht behindert“ (Michael Bücken, Vorsitzender der Verkehrsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Köln). Statt 50 nur 30 Stundenkilometer zu fahren, liege im Grenzbereich, sei aber eher nicht als Behinderung zu werten. „Der Verkehr fließt ja weiter“, sagt Bücken. [Quelle]

Der Autor kann bestätigen, dass ihm während der letzten vier Jahre des freiwilligen Verzichts auf Tempo 50 in Worpswede bislang keine nachteiligen Folgen entstanden sind - im Gegenteil! Die Entscheidung angepasst oder hastig zu fahren, wird bereits vor Fahrtantritt gefällt: Wenn ich den Fahrtbeginn zeitlich so wähle, dass mir für die Fahrt mit Tempo 30 genügend Zeit verbleibt, erhalte ich eine entspannte Fortbewegung, die mir ermöglicht, im "öffentlichen Raum Dorfstraße" mehr von meinem Umfeld wahrzumehmen und gleichzeitig schwächere Verkehrspartner respektvoller zu begegnen.

 



 

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